Es ist 5:30 Uhr des 28. Juni 2002. Seit 9 Monaten haben wir überlegt, ob unser Vorhaben gelingt. 9 Monate Planung und „jetzt wird’s ernschd“ und wir sind „Allzeit bereit“.
Ziel an diesem Tag ist, über Hahn im Hunsrück per „Billigflieger“ südwestlich von Oslo zu gelangen. Von dort per Bustransfer ca. 250 km weiter nordöstlich, an die schwedische Grenze, um an dem Pfadfinderlager EIDSKOG 2002 teilzunehmen.
In Hahn treffen wir 10 Pforzheimer auf 36 Neu-Anspacher Pfadfinder. Endlich, nach langen Einchecken und Warten in der Abflughalle betreten wir das Flugzeug. Für manche ist es der erste Flug, von den Pforzheimern war noch keiner in Norwegen. Wir sind sehr gespannt!
Gegen 13:00 Uhr betreten wir norwegischen Boden. Um 16:00 Uhr sind wir am Zielort, einem norweg. Pfadfinderzentrum, einem ehem. Bauernhof, die Wiesen direkt an einem idyllischen See gelegen. Kaum haben wir ausgeladen, lernen wir das Wetter kennen, welches uns noch einige Mal „überrascht“ – es beginnt in Strömen zu regnen. Nach einer Stunde ist jedoch bereits wieder strahlender Sonnenschein.
Erschöpft bauen wir die beiden Jurten und zwei Kohthen auf und am Feuer wird ein bescheidenes Mahl zubereitet. Einen Teil der Lebensmittel haben wir vergessen und, da der offizielle Lagerbeginn erst am nächsten Tag ist, sind wir etwas aufgeschmissen.
Als wir am nächsten Morgen erwachen entdecken wir, dass 12 dänische Reisebusse, für uns völlig unbemerkt angekommen sind und die Pfadis bereits mit dem Aufbau begonnen haben.
Dieser Tag wird für uns gemütlich. Wir richten uns ein und erkunden unsere Möglichkeiten. Der uns zugewiesene Platz erweist sich bald als der schönste. Einen wunderschönen Seeblick und was sich später noch herausstellen sollte, ein nur relativ gering „durchweichbares“ Fleckchen Erde.
In den nächsten Tagen entstehen ein Kochtisch, an dem die ganzen Mahlzeiten vorbereitet werden, ein Aussichtsturm sowie Bänke für das Lagerfeuer.
Am Sonntag kollidieren zwei Ereignisse: der Eröffnungsgottesdienst beginnt zeitgleich mit dem WM-Endspiel Deutschland – Brasilien. Die Lagerleitung verfügt leider über keine Möglichkeit, die tiefe Sehnsucht nach einem Fernseher zu stillen. So sitzen wir, mit einem Ohr lauschend beim Gottesdienst, der allerdings nicht in die zweite Hälfte gedehnt wird. Gebannt hocken wir anschließend am Feuer um einen Weltempfänger und versuchen, den Ball in das Tor der Brasilianer zu tragen, was leider nicht funktioniert.
Die Tage sind ausgefüllt mit Pfadfinderaktivitäten. Manche erwerben dänische Spezialabzeichen in Feuer- und Knotentechnik. Einige begeben sich aufs Wasser, und angeln oder fahren Kanu. Es ist Zeit zum Baden und sonstigen Aktivitäten auf dem Gelände. Holz muss heran transportiert, zugesägt und gehackt werden.
Am Abend der Rückkehr nehme ich ab Mitternacht an einer Party für Mitarbeiter teil. Kurz zuvor wurden Tische und Stühle beiseite geräumt und die Anwesenden beginnen mit skandinavischen Tänzen. Obwohl dies nicht mein Metier ist wird es ein tolles Erlebnis. Die skandinavischen Freunde verstehen wirklich zu feiern! Wir feiern bis 1:30 Uhr in der Frühe. Auf dem Weg zum Zelt beschließen wir, auch weil es noch so hell ist, ein Erfrischungsbad im See zu nehmen.
Der Freitag wird zu einem weiteren Höhepunkt, an dem sich alle Gruppen mit kreativen Beiträgen präsentieren können. Viele demonstrieren Pfadfindertechniken, Geschicklichkeitsspiele, kochen oder backen etwas aus ihrer Heimat, einige bieten Massagen oder Haarwäsche an, es wird gesungen und geschauspielert. Und an diesem Tag regnet es zum ersten Mal nicht – welch ein Segen, weil wir doch Zeltbahnen und sonstiges Utensilien trocken verpacken müssen.
Am Abend beginnt für uns das große Einpacken. Zwischendrin vereinbaren wir Pforzheimer noch einen Fototermin mit der norweg. Gruppe aus Skien, mit deren Leitung ich mich angefreundet habe.
Viele Pfadis machen traditionell diese Nacht durch. Bis in die frühen Morgenstunden sitzen auch wir bei den Welzheimern in der Jurte und lauschen gebannt unserem Bundesführer wie er Geschichten erzählt und Lieder zum besten gibt.
Um 4:30 Uhr heißt es aufstehen, frühstücken, die restlichen Dinge packen, den Lagerplatz ordentlich hinterlassen und das Gepäck zum Treffpunkt schaffen.
Um 7:30 Uhr werden wir von einem Bus abgeholt. Offensichtlich erschrickt der Busfahrer, als er unsere Kleider und Schuhe sieht, denn er bittet uns, pfleglich mit dem 1 Monate alten Bus umzugehen. Seine Sorge ist unbegründet – die gesamte Meute schläft binnen kurzer Zeit. Der Rückflug verläuft unproblematisch.
Am Flughafen Hahn werden wir von unseren „Abholern“ bereits erwartet. Nach der Verabschiedungsrunde und „Nehmt Abschied Brüder“ trennen wir uns nach einer Woche wieder von den Neu-Anspachern, die uns völlig unkompliziert bei sich aufgenommen und ihr Material mit uns geteilt haben.
Hoffentlich bald haben wir auch eigene Kohten und Jurten…
Es war eine tolle Zeit in Norwegen. Ich habe es genossen, einfach für eine kurze Zeit sich der Zivilisation auszuklinken, die Vorzüge eines einfachen Lebens zu genießen, neue Freunde zu gewinnen und teilweise sehr tiefgehende Gespräche zu führen.Ich bin froh, dass ich dabei sein konnte und Gott von Herzen dankbar, dass 9 Schüler während der Schulzeit und ich frei bekommen haben.
Wir dürfen Teil der weltweiten Pfadfinderbewegung sein und gleichzeitig haben wir gespürt, dass wir zum Leib Jesu gehören.
2008 gibt es eine Fortsetzung, dann im Norden Dänemarks – ich will dabei sein!
Uli Loth