Baden-PowellLord Robert Stephenson Smyth Baden-Powell, Lord of Gilwell, Gründer der Pfadfinderbewegung, oder Bipi, wie die Pfadfinder ihn nennen, wurde am 22. Februar 1857 als eines von 7 Kindern in London geboren. Bipis Vater war anglikanischer Geistlicher und Geometrieprofessor in Oxford, er starb aber als Bipi noch ein Kind war. Seine Mutter, nun Witwe, legte Wert darauf, die Kinder natürlich zu erziehen und ihnen praktische Lebensregeln zu vermitteln – die Erziehung stand unter dem Prinzip des tätigen Christseins.

Ein Stipendium des Duke of Marlborough ermöglichte dem 13-jährigen Robert den Besuch des »Charterhouse College« (1870 – 1876). Bipi galt eher als durchschnittlicher Schüler, der wenig Interesse für den Unterricht aufbrachte. 1872 wurde die Schule nach Goldaming, in eine sehr wald- und buschreiche Gegend verlegt. Bipi unternahm die ersten Studien in Pfadfindertechnik wie in geräuschlosem Anschleichen, Spurenlesen usw. In seiner Biographie schreibt er: »Ohne es zu wissen, lernte ich Dinge, die ich später gut gebrauchen konnte.« Gemeinsam mit seinen fünf Brüdern unternahm Bipi Ferienwanderlager, Faltbootfahrten und Segeltörns auf dem Meer.

Als Bipi 1876 die Schule beendete, stellte sich ihm die Frage der Berufswahl. Ein geplantes Studium war nicht möglich, da bei der Aufnahmeprüfung »zu geringe Wissensleistungen« attestiert wurden. Also besuchte Bipi probeweise die Prüfung zum Militärdienst. Er belegte bei 718 Bewerbern den 5. Platz für die Infanterie und den 2. Platz für die Kavallerie, so dass er sich entschloss, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Wegen seines guten Abschneidens bei der Prüfung wurde ihm der zweijährige Einführungslehrgang erlassen. Am 30. Oktober 1876 wurde Unterleutnant Robert Baden-Powell nach Indien zum 13. Husarenregiment eingeschifft.
Bipi war bei seinen Kameraden für Humor und Fröhlichkeit, Selbstständigkeit und eine kritische Einstellung zu traditionellen militärischen Strukturen bekannt. Er konnte Drill nicht ausstehen und strebte danach, Verbesserungen durchzusetzen. Es heißt, dass er sehr unabhängig war und nie irgend etwas mitmachte, bloß weil es Mode war. Hygiene war Baden-Powell sehr wichtig: wegen seiner Angewohnheit, sich regelmäßig zu waschen (was damals durchaus nicht üblich war), nannten ihn seine Kameraden nicht Baden-Powell, sondern »Bathing Towel« (Badehandtuch).

Bipi, der im Gegensatz zu den meisten anderen Soldaten, die von wohlhabenden Eltern unterstützt wurden, über keinerlei Mittel verfügte, musste sehr sparsam leben. Er verdiente sich zusätzliches Geld durch das Schreiben von Artikeln für Zeitschriften und Illustrierte. Außerdem rauchte er nicht und trank nur mäßig alkoholische Getränke.

Bipi war berühmt für seine Verdienste als Kundschafter und Ausbilder von Kundschaftern, so dass er im Alter von 50 Jahren zum Generalleutnant befördert wurde, obwohl dieser Rang in der englischen Armee normalerweise erst ab dem 62. Lebensjahr erreicht werden konnte.

In Afrika wurde Bipi von den Eingeborenen wegen seiner Fähigkeiten als Kundschafter «impeesa» (= der Wolf, der nie schläft) genannt.

Pfadfinderutensilien

1899 – 1900 wurde Bipi mit seinen Leuten in der südafrikanischen Stadt Mafeking von den Buren belagert. Die Armee des Generals Cronje hatte die Stadt mit 9.000 Männern umzingelt – Baden-Powell standen nur 1250 Verteidiger zur Verfügung. Da die Stadt keinen natürlichen Schutz bot, und mit dem Eintreffen von Befreiungstruppen in den nächsten Monaten nicht zu rechnen war, beschloss Bipi, die Einnahme Mafekings durch feindliche Truppen mit unkonventionellen Methoden zu verhindern.

Die Buren scheuten den verlustreichen Angriff auf die Stadt, da die Mini-Armee der Engländer sich verbissen zu Wehr setzte. Also schnitten sie die Stadt total von der Außenwelt ab und warteten auf die freiwillige Übergabe. Bipi verlegte sich auf die lrreführung des Feindes, indem er ständig Falschmeldungen ausgab, um die zahlreichen Spione zu täuschen. Er ließ, von außen deutlich sichtbar, Sandkisten vergraben, um Minen vorzutäuschen und sorgte für »unbeabsichtigte« Explosionen derselben mit Sylvesterfeuerwerkskörpern. Da die Buren über Stacheldrahthindernisse verfügten, die Engländer aber nicht, wies Bipi seine Soldaten an, beim Betreten der äußeren Befestigungsanlagen die Füße deutlich sichtbar zu heben, um eigene Stacheldrahthindernisse vorzutäuschen. Daraufhin stellten die Buren ihre nächtlichen Angriffe ein.
Einige der Verteidigungsfestungen waren mangels Soldaten nur mit Strohpuppen besetzt, die ab und zu mittels Schnüren bewegt wurden. Als Geschützattrappen mußten bedrohlich wirkende Ofenrohre herhalten. Durch Heckenschützen wurden die Verteidiger ständig dezimiert, so dass Bipi ein uniformiertes Kadettenkorps aus den Jungen der Stadt bildete, die für ungefährliche Aufgaben, wie Botendienste innerhalb der Befestigung eingeteilt wurde. Dieses Kadettenkorps wurde von einem etwas älteren Jungen namens Goodyear befehligt, der wiederum Baden-Powell unterstellt war. Es zeigte sich, dass die Jungen den erwachsenen Soldaten in nichts nachstanden und in der Lage waren, die ihnen gestellten Aufgaben gewissenhaft auszuführen.
Die ungewöhnlichen Methoden zur Verteidigung der Stadt waren erfolgreich – trotz aller widrigen Umstände gelang es Bipi, Mafeking bis zum Eintreffen der englischen Befreiungstruppen 217 Tage lang zu halten. Als die Nachricht nach England gelangte, brach dort Begeisterung über den tapferen Kriegshelden aus. Das neue Idol der englischen Jugend wurde zum Generalmajor befördert und von Queen Victoria mit dem Bath-Orden ausgezeichnet.

Danach sollte Baden-Powell in Südafrika eine Polizeitruppe aufstellen, die die Sicherheit in den besetzten Gebieten gewährleisten sollte und 1903 wurde Bipi zum Generalinspekteur der britischen und irischen Kavallerie ernannt.

Vier Jahre zuvor hatte Bipi ein Buch mit dem Titel »Aids to Scouting« (Hilfen für Kundschafter) verfasst, das es jungen Soldaten ermöglichen sollte, sich im Selbststudium die Fähigkeiten eines Kundschafters anzueignen. Eine unbeabsichtigte Nebenwirkung des Buches war, dass die englische Jugend sich auf das Buch des »Helden von Mafeking« stürzte, und es in Wald und Flur als Spielanleitung nutzte.

Kochstelle

Als Bipi 1903 nach England zurück kam, stellte er überrascht fest, dass es bei den Jugendlichen »in« war, sich kriechend durch das Gelände zu bewegen. Um diese Entwicklung besser beurteilen zu können veranstaltete Bipi vom 29. Juli bis zum 9. August 1907 zusammen mit seinem Neffen Donald und 21 weiteren Jungen aus verschiedenen sozialen Schichten als Test ein Lager auf Brownsea Island. Er steckte die Jungen in einheitliche Kleidung, damit zwischen reich und arm nicht unterschieden werden konnte und teilte sie in vier Sippen ein: die Raben, die Wölfe, die Stiere und die Brachvögel. Die Aktivitäten wurden in Form von Wettbewerben und Spielen durchgeführt. Einige Väter, die das Lager nachts überfallen wollten, um die Wachsamkeit ihrer Söhne zu testen, wurden bereits im Vorfeld von der Nachtwache entdeckt und überwältigt. Das Lager war ein voller Erfolg. Bipi beschloss, sein Buch für Jugendliche umzuschreiben.
»Scouting for boys« entwickelte sich zum Bestseller. Nachdem es zunächst in sechs Teilen in 14tägiger Folge ab 15. Januar 1908 erschienen war, kam es am 1. Mai desselben Jahres in Buchform heraus.

Um alle spontan entstandenen Gruppen zusammenzuführen, organisierte Bipi 1909 ein »Meeting« aller Boy Scouts und mietete hierfür wegen der schlechten Wetterlage den »Crystal Palace« in London an. Zu dem Treffen kamen etwa 1 0.000 Boy Scouts in Kluft – und einige Mädchen, die sich »Girl Scout« nannten. Bipi, der sich zum erstenmal mit Mädchenpfadfindern konfrontiert sah, war überrascht. Die Zahl der Girl Scouts stieg immer mehr an und so beschloss Bipi, auch für sie eine Organisation zu gründen. Er beauftragte seine Schwester Agnes damit, das »Girl Guiding« zu entwickeln. Sie schrieb unter seiner Mitwirkung 1912 das Buch »The Handbook for Girl Guides«. Als Ergänzung dazu verfasste Bipi 1918 das Buch »Girl Guiding«. Im Jahre 1919 erschien sein Buch für die Führerschaft »Aids to Scoutmastership«.

Die Pfadfinderbewegung war längst keine rein englische Angelegenheit mehr. Überall auf der Weit wurden Pfadfinderbünde gegründet. Zunächst 1908 in Kanada, Australien und Neuseeland, dann 1909 in Chile.

Im selben Jahr erschien in Deutschland »Das Pfadfinderbuch«, mit dem der Stabsarzt Dr. Alexander Lion die auf deutsch-kaiserliche Verhältnisse umgearbeitete Version von Baden-Powells »scouting for boys« präsentierte. Von König Edward VIl bekam Bipi verschiedene Orden und wurde mehrfach zum Ritter geschlagen. Auf das Anraten des Königs nahm Bipi 1910 auch seinen Abschied von der Armee, um sich ganz dem Aufbau der Pfadfinderbewegung zu widmen.

1912 unternahm Baden-Powell eine Weltreise, um Kontakt zu den Pfadfindern in den USA, auf den Westindischen Inseln, in Japan, China, Australien, Südafrika, Neuseeland und zahlreichen europäischen Staaten aufzunehmen. Auf der Atlantiküberfahrt lernte er Olave St. Clair Soameskennen – und heiratete sie noch am 30. Oktober des gleichen Jahres. Aus der Ehe gingen 3 Kinder hervor.

1916 übernahm Olave Baden-Powell die Girl Guides. Außerdem wurden in diesem Jahr die Wölflinge gegründet, weil die kleinen Brüder der Pfadfinder gegen das Mindestalter protestiert hatten. 1919 wurden die Rover Scouts gegründet.

1920 fand das 1. Jamboree (= Weltpfadfindertreffen, das Wort bedeutet auf Suaheli ein Treffen der Stammesführer) in der Olympiahalle in London statt. Bipi wurde im gleichen Jahr zum »Chief Scout of the world« ernannt. Weitere Jamborees fanden in Ermelunden bei Kopenhagen, in Birkenhead/England, in Gödöliö/Ungarn und 1937 in Vogelenzang/Holland statt. Am 8. Januar 1941 starb Lord Robert Stephenson Smyth Baden- Powell, Lord of Gilwell in Afrika. Er musste nicht mehr miterleben, wie die Pfadfinder im zweiten Weltkrieg mit der Waffe in der Hand aufeinander losgingen.

Im Moment gibt es geschätzt weltweit ca. 26 Millionen Pfadfinder.

(Quelle: Schlaues Buch I – alles für die Bronze-Lilie)